Kenntnis, Wissen, Weisheit
[:de]Ein Student kommt zu seinem Lehrer und verkündet ihm voller Stolz:
„Meister, in diesem Jahr bin ich den ganzen Talmud durchgegangen!“
Worauf der Lehrer antwortet: „Und hast Du Dich auch vom Talmud durchdringen lassen?“
Was wird in diesem Gespräch verdeutlicht? Der Unterschied zwischen zwei Bedeutungen, zwischen der Kenntnis und der Kultur. Der Student berichtet seinem Lehrer voller Stolz von seinen intellektuellen Leistungen, er ist bereit, sich einer strengen Befragung zu unterziehen, auf die er mit Leichtigkeit antworten und damit beweisen wird, dass er Grund hat, stolz zu sein. Der Lehrer hegt gewisse Zweifel. Ihm scheint das Wesentliche nicht die Anhäufung von Kenntnissen zu sein, sondern die Wandlung des Menschen im Kontakt mit diesen Kenntnissen. Hat der Student auswendig gelernt, oder hat er sich mit dem Wissen anderer auseinandergesetzt? Hat er sich damit begnügt, die Perlen des Wissens aufzureihen, oder versuchte er zu verstehen, was dieses Wissen bedeutet und wie weit es ihn selbst angeht?
Über das Wissen hinaus, das ein lebloser, rationaler Gegenstand ist, macht die Kultur aus uns einen Menschen, der in Beziehung zu den anderen lebt.
Durch die Kultur, die ein Wissensaustausch und eine gegenseitige Öffnung zwischen uns und dem anderen ist, entsteht ein Dialog der Menschlichkeit.
Die Kultur ist damit der Anfang der Weisheit, die ihrerseits im ständigen
Hören auf den anderen und in der Öffnung zur Welt hin besteht, wie das rabbinische Sprichwort besagt: „Wer ist weise? Derjenige, der von jedem Menschen lernt.“
Kultur heißt auf hebräisch „tarbout“, was von der gleichen Wurzel abgeleitet ist wie „harbe“, „viel“. Kultur wäre damit dieses „viel mehr“, diese Ergänzung, die der Seele des Menschen ihre echte menschliche Größe gibt.[:en]A student comes to his teacher and proclaims with pride:
„Master, this year I went through the whole Talmud!“
Whereupon the teacher answers: „And did you let yourself be penetrated by the Talmud?“
What is clarified in this conversation? The difference between two meanings, between knowledge and culture. The student proudly reports to his teacher about his intellectual accomplishments; he is ready to undergo a rigorous interrogation, to which he will respond with ease, proving that he has reason to be proud. The teacher has some doubts. To him the essential thing does not seem to be the accumulation of knowledge, but the transformation of man in contact with this knowledge. Did the student memorize or did he deal with the knowledge of others? Was he content to line up the pearls of knowledge, or was he trying to understand what that knowledge meant and how far he was concerned?
Beyond the knowledge, which is a lifeless, rational object, makes the culture of us is a person who lives in relationship to others.
Through culture, which is an exchange of knowledge and a mutual opening between us and the other, a dialogue of humanity emerges.
Culture is thus the beginning of wisdom, which in turn is in the constant
Listening to the other and opening to the world, as the rabbinical saying goes, „Who is wise? He who learns from every man.“
Culture in Hebrew means „tarbout“, which is derived from the same root as „harbe“, „a lot“. Culture would therefore be this „much more“, this complement that gives the human soul its true human greatness.[:]