[:de]Wird von „dem Coaching“ gesprochen, so ist damit häufig nicht der Oberbegriff gemeint, sondern das Einzel-Coaching. Diese Fehlannahme beruht auf der Bekanntheit dieser Variante. Hinzu kommt, dass manche Experten davon ausgehen, nur das Einzel-Coaching stelle die einzig „wahre“ Coaching-Variante dar.
Eigenschaften des Einzel-Coachings
Das Einzel-Coaching zeichnet sich dadurch aus, dass eine Person von einem Coach beraten wird. Sofern die Position und Qualifikation eines Coachs es zulassen, können auch tiefergehende persönliche und berufliche Angelegenheiten thematisiert werden. Bei intensiver Zusammenarbeit besteht die Beratungsbeziehung oft zu einem externen Experten, da dies von organisationsinternen Coachs nur bedingt geleistet werden kann – ihre Rolle wird meist als „nicht neutral genug“ angesehen.
Im Einzel-Coaching können die Anliegen des Gecoachten umfassend und – sofern gewünscht – auch langfristig bearbeitet werden. Da berufliche und private Themen oft nicht zu trennen sind bzw. sich gegenseitig beeinflussen, reichen die Maßnahmen des Coachs dabei auch in den privaten Bereich hinein, wenn dies notwendig erscheint und gewollt ist.
Das Einzel-Coaching bietet als Arbeitsform für externe Coachs auch die Möglichkeit, Verhalten und Einstellung selbst hochrangiger Führungskräfte „on the job“ zu verändern. Die individuelle, intensive und vertrauliche Arbeit ermöglicht auch kurzfristige Ergebnisse und bietet zudem genügend Freiraum für unterschiedliche Konzepte.
Auf Grund der Zweierinteraktion des Einzel-Coachings kommt der Gleichwertigkeit der Position von Coach und Gecoachtem eine zentrale Bedeutung zu: Es sollte zwischen beiden möglichst kein Beziehungsgefälle geben, da dies die gegenseitige Akzeptanz erschwert bzw. sogar unmöglich macht, wenn der Berater als „weiter unten“ angesehen wird. Besonders wichtig ist dies beim Coaching von ranghohen Managern, die keine Berater akzeptieren, deren Status bzw. Kompetenz sie nicht als mindestens gleichwertig empfinden.
Während früher fast ausschließlich derartige Top-Manager als Zielgruppe für Einzel-Coaching gesehen wurden, werden mittlerweile entsprechende Beratungsmaßnahmen auch für mittlere und untere Führungskräfte angeboten und zunehmend nachgefragt. Auch Freiberufler nehmen meist infolge mangelnder Austauschmöglichkeiten Beratung in Anspruch.
Problembereiche des Einzel-Coachings
Es werden oft nur die Ziele des Gecoachten berücksichtigt und gefördert. Die Ziele der Umwelt werden möglicherweise vernachlässigt, was in der Folge bereits kurzfristig zu Problemen führen kann. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn der Coach die (privaten und organisationsbedingten) Probleme seines Gegenübers nur aus „zweiter Hand“ erfährt.
So kommen manche Experten zu dem Schluss, dass Einzel-Coaching für Führungskräfte nur dann in Betracht zu ziehen ist, wenn es mit einem Gruppen-Coaching verbunden wird. Andernfalls sei damit zu rechnen, dass das Einzel-Coaching zu einer Methode der elitären Förderung der „hierarchischen Durchsetzungsmacht“ einzelner Führungskräfte verkommt.
Generell ist der Coach daher gut beraten, die Möglichkeit von Wahrnehmungsbeschränkungen des Gecoachten nie außer Acht zu lassen. Daher sollten die Ziele des Coachings präzise herausgearbeitet werden, da eine unangemessene Wahrnehmung auch unangemessene Zielvorstellungen produzieren kann. Derartige Probleme sind möglichst früh im Coaching zu thematisieren.
Darüber hinaus besteht durch die intensive Arbeitsform des Einzel-Coachings die Gefahr, dass die eigenen Feedback-Mechanismen des Gecoachten verkümmern können. Der Coach sollte stets umsichtig darauf bedacht sein, dass das Ziel der Beratung darin besteht, sich entbehrlich zu machen.
Quelle: Handbuch Coaching.[:]